12.08.2001 "Psst, ich glaub', du bist die Chefin"
 

"Das sind die Schlimmsten, die da". Stadtrat Wolfgang Scheller zeigt mit bedeutungsschwangerer Geste auf ein paar unscheinbare Stäbe in einer Glasvitrine.

Ferienprogramm - Wie Kinder das Rathaus entdecken

Gebannt folgen ihm zwei Dutzend Kinderaugen und klauben ihm jedes Wort von den Lippen. "Das sind Stabbrandbomben". Ehrfürchtiges Staunen und zaghaftes Nicken auf den Kindergesichtern.

Im Gedenkraum zum 16. März im Grafeneckart steht eine kleine Gruppe von 25 Menschen aus drei Generationen: Großeltern, Eltern und Kinder. Und um die Kinder geht es. Das Heidingsfelder Ferienprogramm vom Verein Heidingsfelder Selbstständige hatte zur Rathausbesichtigung mit dem Stadtrat eingeladen. Nächste Station ist der Wenzelsaal. Viele Zahlen, Fakten und Baustile nennt Scheller. Die Kinder interessiert mehr der Blick auf den Vierröhrenbrunnen. In den Fensterbuchten hocken sie, die Knie auf den abgewetzten Lederkissen, die auf den eingelassenen Bänken liegen. Der zehnjährige Konrad mag die Geschichten um die Geschichte Würzburgs, die Scheller zum Besten gibt, auch wenn nach dem einen oder anderen Datum etwas länger geforscht wird.

Beim Aufstieg in die Türmerstube wird die Tour zum Abenteuer für die Kinder. Faszinierend ist nicht nur der Blick über die Alte Mainbrücke und die Domstraße. Spannend ist schon der Gang nach oben über die enge Wendeltreppe, auf der man, wie auf einem Korkenzieher entlang, unzählige Stufen erklimmt. Nach dem Ausflug in die Höhe geht es ins Innere des Rathausbetriebs: Zuerst in den Wappensaal, dort, wo sonst die Ausschüsse tagen. Flugs suchen sich die Kinder einen Stuhl aus. Am zielsichersten tut das die siebenjährige Anna-Lisa, die den Platz des Vorsitzenden übernimmt, mit einem geübten Griff das Mikrophon vor sich anstellt und auch davon Gebrauch macht, inklusive der Taste für den Gong. "Ja, Frau Vorsitzende, was möchten Sie denn?", fragt Scheller. "Das Mikrophon geht nicht mehr aus", antwortet das kleine Mädchen. Ihre Freundin dagegen erkennt das wirklich Wichtige. "Psst, ich glaub', du bist die Chefin", flüstert die Kleine mit den Gold-Locken.

Im Ratssaal warten die große Politik und die auf drei Wänden gemalte Geschichte der Stadt, über die Wolfgang Scheller referiert. Die Kinder entpuppen sich währenddessen als wahre Spürnasen. Kaum hat der Stadtrat die Dinosaurier erklärt, die sich auch auf dem Wandgemälde befinden, entdeckt ein kleiner Nachwuchs-Bürgermeister, dass sich die Tische der Stadtratsmitglieder aufklappen lassen. Zum Vorschein kommen ein paar Bonbons.

Noch während in den Ausführungen König Gustav Adolf gerade Würzburg belagert, kommt es zum Eklat: Klein-Jakob mit der Jeans-Jacke steht auf und geht, die Oma im Schlepptau. "Ich muss jetzt Eis essen", seine Begründung. Der Rest bleibt noch bis zur deutschen Wiedervereinigung.

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